Das Netzwerk Ethik heute ist eine Plattform für den Dialog über ethische Fragen, unabhängig von Religion, frei von Ideologie. Es werden unterschiedliche Perspektiven einbezogen.
In dem Online-Magazin wird über Projekte berichtet, die die Welt verändern. Es werden Essays veröffentlicht, die zum Nachdenken anregen. Es werden Interviews mit Vordenkern und Visionären veröffentlicht. Der Podcast-Bereich bietet Interviews, Vorträge und Meditationen. Fast das gesamte Angebot ist kostenlos und wird von Spenden finanziert.
Hier ein kleiner Einblick
Warum Meditation das Gehirn verändert
Richard Davidson und Mingyur Rinpoche im Gespräch
Menschen sind glücklicher, wenn sie präsent sind. In einem Webinar tauschten sich der Neurowissenschaftler Richard Davidson und der Meditationslehrer Mingyur Rinpoche über wissenschaftliche Forschungsergebnisse aus. Fazit: Das Gehirn verändert sich durch Gewahrsein.
„Aus wissenschaftlicher Sicht können wir sagen, dass unsere Gefühle der Begrenzung, Angst und Furcht im Wesentlichen Gewohnheiten sind – und Gewohnheiten können verlernt werden. “ – Yongey Mingyur Rinpoche
Mingyur Rinpoche und Richard Davidson sind seit fast zwei Jahrzehnten befreundet. Der tibetisch-buddhistische Mönch und Langzeitmeditierende wurde schon 2002 im Labor des Neurowissenschaftlers Richard Davidson untersucht und ist seither als Proband und Gesprächspartner an dessen bahnbrechender Meditationsforschung beteiligt.
Im Zentrum von Richard Davidson an der Universität von Wisconsin-Madison fand man heraus, dass Meditationspraxis das Gehirn dauerhaft verändern kann. Die jüngsten Untersuchungen des Labors legen unter anderem nahe, dass Meditation das Gehirn verjüngt. In einem Interview auf Ethik heute hatte Davidson bereits darüber gesprochen, dass speziell das Mitgefühlstraining dazu beitragen kann, die Widerstandsfähigkeit des Gehirns zu steigern.
„Ein abgelenkter Geist ist ein unglücklicher Geist“
Seit einigen Jahren erforscht Davidson das Meta-Gewahrsein, etwa die Fähigkeit des Geistes zu erkennen und sich selbst zu beobachten. Als Beispiel nannte er, ein Buch zu lesen, aber nach einiger Zeit nicht mehr zu wissen, was man gelesen habe. „Die Fähigkeit des Geistes zu erkennen, dass man abgelenkt ist, nennt man Meta-Gewahrsein und ist Grundlage für geistige Transformation.“
Nach einer Studie von Killingsworth & Gilbert (2010) sind sich Erwachsene 47 Prozent der Zeit nicht gewahr, was sie gerade tun. Menschen seien in der Regel jedoch wesentlich glücklicher, wenn sie präsent sind, z.B. durch Achtsamkeitsmeditation. Davidson: „Ein abgelenkter Geist, ist ein unglücklicher Geist.“
Im MRT könne man in Form von bildgebenden Verfahren erkennen, dass selbst bei Probanden im Ruhezustand als Grundzustand immer der sogenannte Affengeist und selbstzentriertes Denken im Hintergrund aktiv sind (Default Mode Network).
Sein Fazit: „Achtsamkeitspraxis beginnt, den Grundzustand zu regulieren. Wir müssen Gedanken nicht verändern, sondern lediglich dessen gewahr sein, was wir denken. Diese Veränderungen im Gehirn zeigen sich bereits nach vier Wochen Gewahrseins-Training, besonders im präfrontalen Cortex.
Als nächstes Beispiel der Veränderung des Gehirns durch Meditation nannte Davidson eine neurowissenschaftliche Studie von Lutz et al. (2013) über Hitzeschmerz und Neuroimaging. Während das Schmerzempfinden von Nicht-Meditierenden bereits vor dem zugefügten Hitzeschmerz einsetzte und längere Zeit danach noch aktiv war, reagierte der Proband Mingyur Rinpoche nur auf den tatsächlich im Moment erlebten Reiz mit Schmerzempfinden, aber weder davor noch danach.
Warum meditieren glücklich macht
Gert Scobel interviewte Mingyur Rinpoche
Westliche Gesellschaften erleben seit einigen Jahren einen Boom der Meditation, was auch immer dahintersteckt. Vielleicht der Wunsch nach Einfachheit in einer komplexer werdenden Welt – oder doch ein uneingestandener Druck, noch mehr zu tun und noch mehr leisten zu können?
Dr. Schindler ordnet die Achtsamkeitsforschung kritisch ein und stellt eigene empirische Untersuchungen vor, die belegen, dass eine ethische Debatte notwendig ist.
Der Achtsamkeitshype kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Achtsamkeit nicht das Allheilmittel ist, für das viele es halten, so Dr. Simon Schindler in seinem Vortrag. Er nennt Begrenzungen in der Forschung und methodische Probleme. Im 2. Teil berichtet er über seine eigenen empirischen Untersuchungen zur Frage, ob Achtsamkeit moralisches Verhalten untergraben kann. Fazit: Wir brauchen eine ethische Debatte im Kontext der Achtsamkeit.
Raum für Stille schaffen im Gespräch
Achtsam hören und sprechen
In Krisenzeiten machen sich eher die lauten Stimmen bemerkbar. Gespräche sind oft nicht erfüllend, weil Meinung gegen Meinung steht. Achtsamkeitslehrerin Julia Grösch empfiehlt, in Gesprächen mehr innezuhalten. Denn in der Stille können wir uns wieder unserer grundlegenden Verbundenheit als Menschen bewusst werden.
Wir wollen schnell die Lücken der Stille schließen
Gewöhnlich drängt es uns, Gesprächslücken zu nutzen und mit eigenen Aussagen zu schließen. Schnell noch eine Antwort geben, die eigene Meinung beisteuern, ein Gegenargument liefern.
Sehr oft formulieren wir gedanklich bereits Argumente, während der andere noch spricht. Sehr oft hindern uns automatische Reaktionen daran, wirklich zuzuhören und einen Moment des Nachspürens entstehen zu lassen.
Wir füllen die wenigen Lücken, in denen Stille entstehen könnte, mit Argumenten, Entgegnungen und eigenen Ansichten. Und verpassen Stille als Chance, uns über gegensätzliche Meinungen hinweg mit anderen zu verbinden.
Wir verpassen auch die Chance, uns mit uns selbst zu verbinden, aufsteigende Emotionen zu beobachten und unsere automatischen Reaktionen achtsam und bewusster wahrzunehmen.
Stille kann entstehen, wenn wir schweigen, innehalten, langsamer werden und bewusster zuhören. Erst dann bemerken wir auch Lücken zwischen dem Gesagten. Erst im Dazwischen können wir still werden.
Bewusst hören ist eine heilsame Übung
Stille, das zeigt sich, ist jederzeit da und erfahrbar. Was wir aber brauchen, ist die Bereitschaft, das Schweigen, die Momente der Stille im Gespräch auch einmal auszuhalten.
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